Können Sie sich ein Auto ohne Kopfstützen vorstellen? Bis in die 1960er-Jahre war das die Norm. Wir erzählen die Geschichte der Frau hinter der Kopfstütze: Margit Engellau.
Der Volvo P1800 S, eines unserer ersten Fahrzeugmodelle mit Kopfstütze
Hans Hedberg, Heritage Manager bei Volvo Cars, steht in einem renovierten Hangar in Arendal bei Hisingen. Der Hangar ist Teil des Volvo Museum, das in Kürze in die World of Volvo umziehen wird. Dabei handelt es sich um das neue, moderne Erlebniszentrum von Volvo Cars, das 2024 im Zentrum von Göteborg eröffnen soll.
Neben Hans Hedberg steht ein schöner blauer Volvo P1800 S aus dem Jahr 1968. Einem ungeschulten Auge würde an diesem Fahrzeug nichts Ungewöhnliches auffallen. Doch dieses besondere Modell verfügt über eine Ausstattung, die Ende der 1960er-Jahre kein anderes Auto auf der Welt hatte – eine Kopfstütze.
Im Jahr 1956 wurde Gunnar Engellau CEO von Volvo Cars, und er hatte große Ziele für das Unternehmen. So sollte etwa der US-Markt erobert werden, mit mehr Modellen und sichereren Fahrzeugen. Als Gunnar Engellau Volvo Cars übernahm, baute das Unternehmen jährlich 31.000 Fahrzeuge. Als er 1971 seinen Posten verließ, waren es mehr als 205.000 Fahrzeuge. Volvo Cars hatte sich unter seiner Führung zu einem globalen Automobilhersteller entwickelt.
Als Physiotherapeutin im Göteborger Krankenhaus Sahlgrenska hatte Gunnar Engellaus Frau, Margit Engellau, täglich mit Patienten zu tun, die bei Autounfällen verletzt wurden. Damals war das Schleudertrauma noch kein Begriff und man hatte noch nicht vollständig begriffen, was passiert, wenn der Kopf von einer extremen Position in eine andere gezwungen wird.
„Margit Engellau behandelte viele Menschen, die im Straßenverkehr verletzt wurden“, erzählt Hans Hedberg. „Am Wochenende berichtete sie häufig ihrem Mann und seinen Kollegen von Volvo Cars bei gemeinsamen Abendessen von ihren Erfahrungen aus dem Krankenhaus. Sie verstand, dass etwas an den Fahrzeugen verändert werden musste, um Hals und Kopf der Insassen besser zu schützen. Wenn wir heute zurückblicken und erkennen, wie früh Volvo Cars in Sachen Verkehrs- und Unfallsicherheit eine Führungsrolle übernommen hat, müssen wir an den wichtigen Beitrag von Margit Engellau erinnern.“
Unter Gunnar Engellau als CEO von Volvo Cars wurden viele wichtige Schritte zur Verbesserung der Sicherheit unternommen. So war Volvo Cars 1959 der erste Automobilhersteller weltweit, der serienmäßig Dreipunkt-Sicherheitsgurte in seine Fahrzeuge einbaute (Amazon und PV 544). Bereits zwei Jahre zuvor waren Gurte als Sonderausstattung für den Amazon erhältlich.
Die nächste wichtige Innovation war der Volvo Sitz, der 1965 auf den Markt kam: Ein einzigartiger Fahrzeugsitz mit Lendenwirbelstütze und Polstern aus weichem Kunststoffschaum, entwickelt auf der Grundlage von „medizinischem Fachwissen“.
„Der Volvo Fahrzeugsitz war ein Wunderwerk in Sachen Technik, Ergonomie und Sicherheit“, sagt Hans Hedberg. „Für Volvo war er entscheidend. Kein anderes Auto hatte zu dieser Zeit eine verstellbare Rückenlehne. Und plötzlich konnten die Fahrer bequem sitzen, ohne müde zu werden. Die Möglichkeit, in einem Volvo sicher und bequem zu sitzen, ist für uns bei Volvo Cars immer noch von zentraler Bedeutung.“
Im Zuge der Einführung des Volvo Fahrzeugsitzes entstanden die ersten Zeichnungen einer Kopfstütze, die sich einfach am Sitz befestigen ließ. Interessant ist, dass die neue Kopfstütze zunächst als Komfortausstattung und nicht als Sicherheitsausrüstung verkauft wurde.
Hans Hedberg öffnet die Tür des blauen Volvo P1800 S, der einmal Gunnar Engellau gehörte. Margit Engellau besaß einen ähnlichen Wagen, allerdings in Hellgold mit rehbrauner Polsterung. Die beiden Sondermodelle, Gunnar und Margit, sind heute im Besitz von Volvo Cars und können im Volvo Museum besichtigt werden.
„Das Modell Gunnar wurde bis 1975 von Gunnar Engellau gefahren“, erklärt Hans Hedberg. „Ich saß im Laufe der Jahre in vielen Volvo P1800, aber keiner fuhr sich so schön wie dieser. Die Modelle Gunnar und Margit sind Konzeptfahrzeuge, die auf größtmöglichen Fahrkomfort optimiert waren, mit großen Vergasern, einem ausgewogeneren Fahrwerk und vielen großen und kleinen Extras. Auch das Sicherheitskonzept war seiner Zeit voraus, mit Zusatzscheinwerfern und einer frühen Variante von Scheinwerferwischern. Und natürlich gab es eine Kopfstütze.“
Seit 1970 verfügen alle Vordersitze in Volvo Fahrzeugen serienmäßig über Kopfstützen – ein weiterer wichtiger Meilenstein.
Die Geschichte von Margit Engellau wurde schon früher erzählt, aber nicht oft genug, wie Hans Hedberg findet. In einem längst vergessenen Volvo Werbespot von 1993 sieht man eine Margit Engellau bei der Patientenvisite im Krankenhaus Sahlgrenska. Die Werbung endet mit den Worten: „Sie haben vielleicht noch nie von Margit Engellau gehört, aber vielleicht kennen Sie das Denkmal, das man für sie gebaut hat.“ Es erscheint ein roter Volvo 960 zusammen mit der Botschaft: Sicher fahren, Volvo fahren.
„Es ist eine tolle Geschichte, dass die Idee für eines unserer wichtigsten Sicherheitskonzepte von ihr stammt und im Volvo P1800, dem schönsten aller Volvo Modelle, umgesetzt wurde. Die Sterne standen einfach günstig“, so Hans Hedberg.
Margit Engellau ist leider 1981 verstorben, doch mit ihren innovativen Ideen rettet sie noch heute Leben.